Mein Tag: 16.8.2017

Zumindest wenn man aus den beiden südlichen Bundesländern kommt, ist man derzeit oft noch im Urlaub. Vielleicht sogar in einem anderen Land. Von den USA haben einige gehört, dass man dort Trinkgeld geben „müsse“, dass es z.B. für Servicekräfte in Restaurants eine zentrale Einkunftsquelle sei. Aber wie ist das eigentlich in anderen Ländern?

Ende der 70er Jahre war ich im Rahmen einer Abiturientenfahrt im damaligen noch sozialistischen Prag. Es war ein offenes Geheimnis, dass man sich schon als Schüler allerhand leisten konnte, wenn man das Geld „schwarz“ tauschen würde. (Empfohlen wurde, hierfür einen Kellner anzusprechen.) Ein großes Bier kostete etwa 5 Kronen, also dann rund 40 Pfennige (oder ca. 20 Cent). Einer meiner Mitschüler bestellte ein Bier, gab dem Kellner 10 Kronen und sagte „stimmt so“. Der Kellner war konsterniert, wurde blass, steckte aber letztlich das Geld ein. Der Mitschüler, übrigens ein Pastorensohn, meinte nur trocken, dass es wohl nicht in Ordnung sein würde, weniger als 40 Pfennige Trinkgeld zu geben.

Warum aber reagierte der Kellner so seltsam? Zwar verbot der Sozialismus Trinkgelder, aber er erlaubte ja auch nicht das „informelle“ Tauschen von Bargeld. Ein interessanter Erklärungsansatz ist nun, dass Trinkgelder zu geben mit Machtdistanz einhergeht: wer Trinkgeld gibt, stellt sich über die andere Person. Wer nun verhindern will, dass sich der Empfänger des Trinkgelds abgewertet oder sogar gekränkt fühlt (oder fühlen könnte), kann betonen, dass das Trinkgeld eine Anerkennung einer besonderen Leistung ist („toller Service“, „sehr freundlich, danke“). Aber daran hatte der Pastorensohn nicht gedacht, und niemand weiss mit Sicherheit, wie ein Kellner im real existierenden Sozialismus darauf reagiert hätte.

Und was hat das mit Friseurinnen und Friseuren zu tun? Eine der vermeintlich leichtesten Übungen wäre für sie, ihren Kunden (aufwertende) Komplimente zu machen, Studierende meiner Vorlesung „Konsumentenverhalten“ kennen die Ergebnisse entsprechender Experimente. Aber sie tun dies oft nicht – und ich vermute, sie finden es besser, wenn durch ein Trinkgeld schlicht ihre Leistung anerkannt wird.

(Hier bloggt der Prof., zu aktuellen und anderen Ergebnissen und Ereignissen.)

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg